Die EU-Kommission will Internetdienstleistern vorschreiben, private Chats, Nachrichten und E-Mails massenhaft und anlasslos auf verdächtige Inhalte zu durchsuchen, um die Strafverfolgung von Kinderpornografie zu erleichtern.
Dazu wird in Brüssel seit zwei Jahren über ein entsprechendes Gesetz verhandelt. Und weil man keine Einigung erzielen konnte, brachte die EU-Kommission im April eine Verlängerung der sogenannten "freiwilligen" Chatkontrolle auf den Weg: Dabei sollen Anbieter wie Meta und Microsoft die Inhalte ihrer Nutzer "freiwillig" durchsuchen dürfen. So weit, so gut.
»Das ist wie eine Online-Pandemie«, sagte die EU-Innenkommissarin am Donnerstag bei einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel, bei dem auch die deutsche Ressortchefin Nancy Faeser zugegen war.
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Ob aber auch die Zahl der tatsächlich verübten Taten drastisch gestiegen ist, geht aus Johanssons Ausführungen nicht hervor. Eine bisher unveröffentlichte Statistik des Bundeskriminalamts (BKA), die dem SPIEGEL vorliegt, besagt dagegen, dass vor allem die Menge der falschen Verdächtigungen aus den USA massiv gewachsen ist.
SPIEGEL, geplante Chatüberwachung: Deutlich mehr Falschmeldungen zu Kindesmisshandlung
Jetzt, kurz vor dem Ende der 9. Legislaturperiode, kommt wieder Bewegung in die Sache, denn der belgische Vorsitz im EU-Rat will am 19.06.2024 über die Chatkontrolle abstimmen lassen.
[Aktualisierung 19.06.2024] Laut Informationen von netzpolitik.org wird der EU-Rat am 20.06.2024 abstimmen. Das Bundesinnenministerium verrät nicht, wie es sich verhalten wird. In einem offenen Brief haben sich Abgeordnete aus dem Bundestag und dem Europaparlament zu Wort gemeldet, Vertreter der SPD sind nicht dabei.
Internetnutzer sollen einer Chatkontrolle zustimmen, sonst dürfen sie keine Bilder und Videos hochladen. Das schlägt die belgische Ratspräsidentschaft vor.
netzpolitik.org, internes Protokoll: Belgien will Nutzer verpflichten, Chatkontrolle zuzustimmen
Offenbar will man die geringe öffentliche Aufmerksamkeit - nach der Wahl und vor der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments Mitte Juli - ausnutzen, um noch schnell ein paar Dinge in die "richtige" Richtung zu bringen. Grenzwertig.
Viele Akteure wollen dafür Client-Side-Scanning nutzen, was Wissenschaftler als unsicher und gefährlich kritisieren. Als Alternative schlägt Belgien jetzt eine „Upload-Moderation“ vor. Demnach sollen Nutzer zustimmen, dass ihre Inhalte gescannt werden. „Verweigere ein Nutzer die Zustimmung, könne er einen Dienst weiter nutzen, aber keine Bilder und Videos hochladen.
netzpolitik.org, internes Protokoll: Belgien will Nutzer verpflichten, Chatkontrolle zuzustimmen
Mit dem Begriff „Upload Moderation“ hätte die belgische Ratspräsidentschaft der Technologie des Client-Side-Scannings nur einen neuen Namen verpasst, das Scannen bleibe aber das gleiche. Es sei letztlich egal, ob man das Untergraben von Verschlüsselung nun Hintertür, Vordertür oder „Upload Moderation“ nenne, der Effekt bleibe gleich, so Whittaker.
netzpolitik.org, internes Protokoll: Belgischer Kompromissvorschlag ist „alter Wein in neuen Schläuchen“
"Entweder schützt die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung alle und gewährleistet Sicherheit und Datenschutz, oder sie ist für alle gebrochen. Und die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu brechen, insbesondere in einer geopolitisch so instabilen Zeit, ist eine katastrophale Angelegenheit“, so Whittaker weiter.
netzpolitik.org, internes Protokoll: Belgischer Kompromissvorschlag ist „alter Wein in neuen Schläuchen“
[Aktualisierung 19.06.2024] Die EU will Anbieter verpflichten, private Chats auf Kindesmissbrauchsinhalte zu prüfen. Laut dem Bundesinnenministerium wird Deutschland diesen Plänen nicht zustimmen. Die Zeit: Deutschland lehnt EU-Pläne für sogenannte Chatkontrolle ab
[Aktualisierung 20.06.2024] Die EU-Staaten einigen sich nicht auf eine Position zur Chatkontrolle. Die Ratspräsidentschaft hat die Abstimmung von der Tagesordnung genommen, weil sie keine ausreichende Mehrheit hat. netzpolitik.org: Belgien scheitert mit Abstimmung zur Chatkontrolle
Was kann man tun?
Der ehemalige EU-Abgeordnete Patrick Breyer beschreibt auf seiner Internet-Seite, was man tun kann:
Jetzt ist es wichtig zu zeigen, dass die Zivilgesellschaft weiter wachsam ist. Der beste Weg dafür ist, dich direkt bei den sogenannten „ständigen Vertretungen“ zu melden, also die offizielle Vertretung deiner Regierung bei der EU.
Patrick Breyer: Rat soll Chatkontrolle durchwinken – Werde jetzt aktiv!
Schluss
Die Privatsphäre heisst Privatsphäre, weil sie privat ist.
Das Internet ist großartig.
Damit das so bleibt ist es wichtig, wachsam zu sein und informiert zu bleiben.
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