In Deutschland läuft es unter dem Schlagwort „Chatkontrolle“: Die Verordnung zum Kampf gegen Kindesmissbrauch, Child Sexual Abuse CSA. Seit mehr als zwei Jahren verhandeln die EU-Mitgliedstaaten hier um eine gemeinsame Position. Die Kernfrage dabei, die der Auflösung des digitalen Briefgeheimnis gleichkommt: Darf private Kommunikation von staatlichen Stellen auf Darstellungen von Kindesmissbrauch durchsucht werden?

Der konservative Vorsitzende des Innenpolitik-Ausschusses (LIBE) des Europäischen Parlaments, Javier Zarzalejos, hat nach Informationen von netzpolitik.org am vergangenen Mittwoch ein sogenanntes Schattentreffen anberaumt, bei dem fast ausschließlich Befürworter der Chatkontrolle als Experten eingeladen wurden.

Ein solches „Schattentreffen“ deutet auf mangelnde Transparenz hin, besonders im Vergleich zu öffentlichen Anhörungen. Werden dann auch noch die geladenen Experten einseitig ausgewählt – fast ausschließlich Befürworter von Massenüberwachung – fehlt es an einer ausgewogenen Darstellung verschiedener Perspektiven. Dies ist höchst problematisch und lässt darauf schließen, dass versucht wird, die bisherige Position aufzuweichen und eine umfassendere Überwachung zu ermöglichen.

Der spanische Abgeordnete Javier Zarzalejos, Vorsitzender des Bürgerrechtsausschusses
Quelle: Europäische Union

Eingeladen waren Vertreter von Organisationen wie Brave Movement, ECPAT International, Eurochild und European Digital Rights (EDRI) der dänischen Polizei, der Europäischen Kommission und Europol - sowie des des dänischen Justizministeriums. Dänemark hat zur Zeit die Ratspräsidentschaft inne, Befürwortet die Chatkontrolle und hat und zuletzt einen verschärften Vorschlag vorgelegt - vergl. Anwaltverein warnt vor verschärften Chatkontrolle-Plänen.

Chatkontrolle: Eine Gefahr für unsere digitalen Freiheiten

Die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der EU-Bürger dar. Sie gefährdet massiv die digitale Privatsphäre und Meinungsfreiheit, ohne dabei einen nachweislich effektiveren Schutz vor Kindesmissbrauch zu gewährleisten.

Die Einführung der Chatkontrolle muss verhindert werden.

Was kann man tun?

Hier sind verschiedene Wege, wie man sich engagieren und seine Bedenken gegen die Chatkontrolle und ähnliche Bestrebungen äußern kann:

Kontakt zu Europaabgeordneten (MEPs): Man kann seinen MEPs E-Mails schreiben oder sie anrufen, um Bedenken bezüglich der Chatkontrolle mitzuteilen. Es ist wichtig, klar zu machen, dass man eine Verletzung der Grundrechte durch diese Maßnahme ablehnt. Zudem kann man sich über die Haltung der verschiedenen Parteien informieren und gezielt Abgeordnete kontaktieren, die sich für Datenschutz und Bürgerrechte einsetzen, wie beispielsweise Patrick Breyer.

Unterstützung von NGOs: Viele zivilgesellschaftliche Organisationen engagieren sich aktiv gegen die Chatkontrolle und für den Schutz digitaler Grundrechte, beispielsweise EDRi und deren Mitglieder wie Digitalcourage, der Chaos Computer Club und die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Man kann diese Organisationen durch Spenden, Mitgliedschaft oder das Teilen ihrer

Informieren der Öffentlichkeit: Man kann im persönlichen Umfeld und in sozialen Medien über die Problematik der Chatkontrolle aufklären. Das Teilen von Artikeln und die Nutzung von Hashtags wie #Chatkontrolle und #digitalesBriefgeheimnis sind hier effektive Wege. Auch das Anregen von Medienberichten kann die öffentliche Debatte stärken.

Einflussnahme auf die nationale Regierung: Die Haltung der nationalen Regierung im EU-Rat ist entscheidend. Man sollte sich über deren Position zur Chatkontrolle informieren und gegebenenfalls eine klare Stellungnahme oder einen Kurswechsel fordern, falls die Regierung die Maßnahme unterstützt oder sich unklar positioniert.

Abspann

Die Privatsphäre heißt so, weil sie privat ist.
Das Internet ist großartig. Allerdings gibt es noch viel zu tun, damit es so bleibt.

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